Geförderte Projekte

DDR-Box: interaktive Wissensplattform zum Jugendalltag in der DDR

„Es war ganz normal, in einem Land aufzuwachen, um das eine Mauer steht.“ Die Berliner Fotografin Nadja Klier möchte Jugendlichen den Alltag in der DDR näherbringen: In der DDR-Box werden Zeitzeuginnen und -zeugen interviewt, die ihre Erlebnisse und Erfahrungen berichten – von Themen wie Mangelwirtschaft, Sexualität und Probleme mit dem sozialistischen System in der DDR berichten.

Das Projekt geht auf die Initiative der Fotografin und Videografin Nadja Klier zurück. Als Tochter einer Künstlerfamilie wuchs sie im Trubel der Ost-Berliner Künstlerszene auf und wurde samt Familie schließlich in das fremde West-Berlin ausgebürgert. „Gerade, weil so viel in meiner Jugend passiert ist, habe ich mich ganz lange nicht damit beschäftigt. Man kann sich aber nicht einfach von seiner eigenen Identität wegdrehen“, berichtet die Gründerin. Selbst Teil beider Welten, spürte sie das Bedürfnis, ihre Jugend in der DDR aufzuarbeiten und diesen wichtigen Teil deutsch-deutscher Geschichte zu vermitteln. Um auch Jugendliche zu erreichen, gründete sie den Verein DDR-Box e. V. „Jugendliche lesen heute eher selten Bücher. Um sie mit Informationen zu erreichen, braucht man unbedingt ein digitales Format“, so Nadja Klier. Mit Unterstützung des Programms KULTUR.GEMEINSCHAFTEN launcht sie im März 2023 eine digitale, interaktive Wissensplattform.

Aus den Schulbüchern ins echte Leben: In der „DDR-Box“ nehmen politikinteressierte Jugendliche aus ganz Deutschland das Mikrofon in die Hand. In einer eigens für das Projekt entworfenen DDR-Wohnzimmer-Kulisse im Berliner Stasi-Unterlagen-Archiv befragen sie Zeitzeuginnen und Zeitzeugen: Es geht um den Alltag von Jugendlichen in der DDR, auch Aspekte wie Rassismus, Sexualität und Drogen kommen zur Sprache. Zwei Generationen treffen aufeinander. Mehr als historische Fakten interessiert die Jugendlichen, wie sich Gleichaltrige in der DDR fühlten. Was waren die prägendsten Erfahrungen in einem Leben unter ständiger Kontrolle? „Man lebte schon als Kind mit der ständigen Gefahr, in Schwierigkeiten zu kommen, wenn man nur dem falschen Verein angehörte“, verrät Ahne aus Ostberlin im Vorgespräch. Dabei überrascht die Jugendlichen eine Antwort, die man immer wieder hört: Es war ganz normal, in einem Land aufzuwachsen, um das eine Mauer steht, da man nichts Anderes kannte.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte der DDR auf eine spielerische, interaktive Weise soll die Kluft zwischen schulischer und außerschulischer Bildung schließen. Der Dialog ist wichtig. „Ich weiß super wenig über die Zeit in der DDR an sich, obwohl das so viele Jahre deutscher Geschichte sind. Ich habe das Gefühl, dass das in der Schule total ausgeklammert wird“, berichtet Pia aus Berlin. Auf einer interaktiven Wissensplattform sollen die Wohnzimmer-Interviews, Zeitzeugen-Steckbriefe und Erklärvideos in Blockthemen schließlich auch für andere jederzeit digital verfügbar gemacht werden: Ein Video über die Mauer wird beispielsweise mit Interviews von Leuten verknüpft, denen eine Flucht über die Mauer nicht gelang.

Um das Projekt wissenschaftlich und inhaltlich vorzubereiten, kooperierte Nadja Klier mit verschiedenen Partnern wie dem Deutschen Rundfunkarchiv und dem Stasi-Unterlagen-­Archiv. Informationen wurden gesammelt und Themen Stück für Stück aufgearbeitet. So wurden zum einen der Themen­katalog für die Interviews erstellt und zum anderen Erklärvideos vorbereitet. Auch für die Archive sind solche Projekte interessant. „Wir wollen mit den nächsten Generationen in den Dialog treten. Es ist gar nicht so einfach, das auf Augenhöhe zu schaffen und Interesse bei den jungen Leuten zu wecken“, so Dagmar Hovestädt vom Stasi-Unterlagen-Archiv.

Durch die Förderung von KULTUR.GEMEINSCHAFTEN konnte mittlerweile ein Prototyp der Webseite programmiert werden. Für Nadja Klier liegt eine steile Lernkurve hinter ihr: „Die enorm aufwendige Entwicklung des Projektes habe ich sicher unterschätzt. Auch die intensive Recherchearbeit in der Vorbereitung hat uns im Umfang überrascht.“ Doch Klier ist mit dem Ergebnis sehr zufrieden, jeglicher Aufwand habe sich ausgezahlt. „Es ist schön, zu sehen, wie begeistert Menschen auf das Projekt reagieren und die Mühe und Liebe erkennen, die reingeflossen sind“, berichtet die Gründerin über ihr Herzens­projekt.

Text: Dela Mießen

Dieser Beitrag ist im Dezember 2022 im Magazin Arsprototo (Ausgabe 02/2022) erschienen.

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